24. Internationales WDR Europaforum 2022
Wie weiter?
Europa in der neuen geopolitischen Realität
Russlands Überfall auf die Ukraine hat die internationale Ordnung in den Grundfesten erschüttert. Solidarität mit Kiew ist das Gebot der Stunde. Europa ist gefordert, seine Grundwerte in einer veränderten Welt zu behaupten.
Der 24. Februar 2022 hat den Traum vom „europäischen Haus“ zerstört, eine humanitäre Katastrophe angerichtet und die internationale Ordnung noch weiter erheblich belastet. Wladimir Putins Überfall auf die Ukraine markiert tatsächlich eine Zeitenwende. Sie zwingt die Europäische Union zur grundsätzlichen Reflexion über ihre geopolitischen Positionen und Perspektiven.
Im vierten Monat des Krieges ist die anfänglich beeindruckende Geschlossenheit der Europäische Union längst dabei zu erodieren. Der unmittelbare Schock durch die russische Aggression hat die Mitgliedstaaten nur vorübergehend zusammenrücken lassen. Nach den ersten raschen Beschlüssen zu humanitärer Hilfe, logistischem Beistand und mehreren Sanktionsrunden sowie einer ungeahnten Bereitschaft zur Aufnahme der Flüchtlinge werden die divergierenden Interessen immer deutlicher sichtbar.
Das Gerangel um das neueste Bündel von Sanktionen und vor allem um die Vorschläge der EU-Kommission für ein Öl-Embargo hat nicht nur offenkundig werden lassen, dass die EU-Staaten wirtschaftlich in sehr unterschiedlichem Ausmaß von Russland abhängig sind, was auch die Spielräume für den Einsatz von Druckmitteln unterschiedlich begrenzt. Es sind zudem traditionell politische Divergenzen über das Verhältnis zu Russland wieder aufgebrochen. Sie haben die These, Wladimir Putin verhelfe mit seinem Feldzug gegen das europafreundliche Nachbarland der EU unfreiwillig zu neuer Gemeinschaftlichkeit, wieder fragwürdig werden lassen.
Je länger der Krieg andauert, desto schwerer fällt die Bewährung der Einigkeit, desto dringlicher wird zugleich die strategische Neuaufstellung. Wie radikal, wie schnell sollen die wirtschaftlichen Verbindungen zu Putin-Russland gekappt werden? Wie weit kann die militärische Hilfe für die Ukraine gehen, ohne in einen Krieg gegen die Atommacht Russland zu geraten? Sollen weitere EU- und Nato-Beitritte jetzt beschleunigt oder lieber vertagt werden? Wie lässt sich das Verhältnis zu Russland in der Zukunft erträglich – das heißt vor allem: sicher – gestalten?
Schließlich haben sich auch die unterschiedlichen Vorstellungen der EU-Staaten über das Wertefundament der Union und die langfristigen Ziele der Integration mit dem Ukraine-Krieg nicht erledigt. Die Gemeinsamkeit im Inneren, die für die Herausforderungen von außen gebraucht wird, ist also keine gegebene Größe.
Wie die EU gerüstet ist, sich in dieser existenziellen Bewährungsprobe zu behaupten, wird Gegenstand der Überlegungen auf dem WDR Europaforum am 2. Juni 2022 sein.
Es steht unter dem Motto:
Wie weiter? Europa in der neuen geopolitischen Realität.